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Mittwoch, 28. Dezember 2005: Eine Spende auf burmesisch, ein Kloster
als Touristenfalle und eine versunkene Stadt ...
Eine erholsame Nacht liegt hinter mir. Morgens ist es noch neblig, als ich
zum Frühstück gehe, das sehr opulent ausfällt. Bei der Abfahrt um halb
neun hat sich der Nebel gehoben, aber jetzt liegt er bleigrau hoch über
der Stadt am Himmel.
Die
Mahamuni Pagode finde ich nicht so beeindruckend, wie sie in den Büchern
beschrieben wird. Der große Buddha in ihrem Inneren ist über und über mit
Blattgold beklebt. Ich bin überrascht, dass man mich wie alle anderen auf
die Figur hinaufsteigen und dort sogar fotografieren lässt. Oben
balanciert man auf einem schmalen Sims um die Figur herum. Ein Mann drückt
mir drei Goldblättchen in die Hand und bedeutet mir, ich solle sie
aufkleben. Dafür kassiert er dann 1000 Kyat, etwas weniger als einen
Dollar 'donation', eine 'Spende', die eher einer Zwangsanleihe gleicht.
Auch eine Art, den 'Klingelbeutel' zu füllen ...
Amarapura:
Noch ist der Himmel bleigrau. Das viel gerühmte Malagandayon Kloster ist
eine Touristenfalle ohnegleichen. Zum ersten Mal auf der Reise begegnen
mir ganze Busladungen von Touristen, die in jeden noch so entlegenen
Winkel des (modernen) Klosters vordringen. Im Refektorium läuft sogar ein
Mann mit seiner Videokamera über eine der langen Tischreihen, um die
Mönche 'von oben' beim Essen filmen zu können. Da wendet man sich mit
Grauen ab! Ich gehe zum Fluss und schreibe ein wenig. Als ich nach 30
Minuten zurückkehre, ist das Kloster wie leergefegt. Sie sind alle wieder
weg. Einige Mönche beginnen ein Gespräch mit mir und laden mich zu einem
Rundgang ein. Es ist mir fast peinlich, als sie mir ihre bescheidenen
Behausungen zeigen und mich immer wieder zum Fotografieren ermuntern. Sie
müssen das wohl schon gewöhnt sein ...
Als ich wenig später mein nächstes Ziel, die U-Bein Brücke erreiche, wird
mir klar, wohin die Touristenscharen so plötzlich verschwunden sind. Hier
hat der Tourismus bereits einen nicht wieder gut zu machenden Schaden
angerichtet. Kinder bieten aufdringlich Ansichtskarten und allerlei Trödel
an, und sie tun dies in allen möglichen Sprachen, nachdem sie die in aller
Welt geläufigen Fragen nach Herkunftsland ('Where are from?') und Namen
('What you name?') gestellt haben, um ihr Verkaufsgespräch einzuleiten.
Ich
überquere die Brücke und lasse die Massen hinter mir zurück. Auf der
Brücke sitzen zahlreiche Bettler und strecken mir ihre (von Lepra?)
verkrüppelten und entstellten Hände entgegen - ein erbärmlicher Anblick,
der Mitleid erweckt und zur Gabe nötigt, wohl wissend, dass ihnen damit nicht wirklich geholfen
ist ...
Das Dorf auf der anderen Seeseite ist noch ganz ursprünglich. Hier prallen
Welten aufeinander: einerseits Wohnverhältnisse wie im 'Mittelalter' in
Dreck und Gestank, andererseits Autos und Motorräder und
Unterhaltungsmusik, die aus großen Lautsprechern dröhnt. Noch haben die
Massen diesen Flecken nicht erobert, aber wer weiß, wie lange das noch so
bleibt.
Auf der Fahrt nach In-Wa reißt die Wolkendecke binnen zehn Minuten auf,
und die Sonne taucht die Landschaft plötzlich in gleißendes Licht. Was für
ein Schauspiel! Der Fahrer bringt mich bis an den Fluss, von wo ich mit
einer Fähre ans andere Ufer übersetze. Auf der anderen Seite warten schon
die Kutschen, um die Besucher für unglaubliche 3000 Kyat (knapp 3 Dollar)
zu den verschiedenen Sehenswürdigkeiten zu bringen. Man ist aber gut
beraten, eine Kutsche zu nehmen, denn zu Fuß lässt sich das beim besten
Willen nicht bewerkstelligen. Die Entfernungen sind einfach zu groß! Die
Kutscher sind (noch) nett und halten, wo gewünscht. Drei Dollar mögen in
diesem Land wohl viel Geld für eine derartige Dienstleistung sein (Ein
Lehrer verdient acht im Monat!), aber sie sind gut angelegt. In-Wa ist
wirklich etwas ganz Besonderes. Die Ruinen der alten Stadt liegen in einer
lieblichen Tropenlandschaft verstreut, und die Rundfahrt ist eine zwar
holprige, aber auf jeden Fall lohnende Angelegenheit.
Bei jedem Schlagloch ruft mein Kutscher, ein halbwüchsiger Bursche: 'O la
la!' Wahrscheinlich hat er des Öfteren Franzosen gefahren und es sich bei
denen abgehört. Dann wieder spuckt er eine kräftige Ladung seines vom
Betelkauen rotbraunen Speichels in die Landschaft.
Für
die Rückfahrt über den Fluss kommt diesmal ein kleineres Boot. Einer der
Bootsführer nutzt die Zeit bis zum Ablegen, um das mehrere Zentimeter hoch
stehende Wasser mit einem alten Kanister aus dem Boot zu schöpfen, während
der andere sich um das ölverschmierte Etwas am Bootsheck bemüht, das sich
alsbald als lärmender, rußspeiender Motor entpuppt. So geht es zügig
zurück ans andere Ufer und von dort über eine gewaltige Brücke nach
Sagaing.
Sagaing ist eine Klosterstadt. Über 700 sollen es sein. Sie liegen auf und
um einen Hügel verstreut. Hier ist (fast) alles Gold, was glänzt. Aber der
ganze Glanz beeindruckt mich nicht annähernd so, wie die Ruinen von In-Wa.
Ein Mönch 'schenkt' mir ein Armband aus Holzperlen. Dafür erwartet er dann
prompt eine 'donation'. Die wiederum ist nicht, wie der Name vermuten
lassen könnte, ein Akt der Freiwilligkeit, sondern die pflichtschuldigste
Bezahlung eines 'Geschenks'. Diesmal mache ich das Spiel jedoch nicht mir.
Ich bedanke mich höflich für das 'Geschenk', wünsche noch einen guten Tag
und lasse den verdutzten Mönch mit seinen restlichen Armbändern stehen.
Auf
der Rückfahrt nach Mandalay lege ich nochmals einen Stopp an der U-Bein
Brücke ein. Die Stimmung ist jetzt eine völlig andere als unter dem
bleigrauen Himmel des Vormittags. Der berühmte Sonnenuntergang hat erneut
zahlreiche Touristen angelockt, aber es lohnt sich zu bleiben. Das Licht
ist jetzt besonders schön und taucht die Landschaft in einen
geheimnisvollen Zauber.
Schnell noch etwas Geld gewechselt, geduscht und dann zum Abendessen in
das Restaurant, das mir das deutsche Ehepaar am Abend zuvor empfohlen hat.
Für wenig Geld gibt es dort ein ausgezeichnetes Essen, aber es ist kein
'Geheimtipp'. Ausschließlich Ausländer scheinen dort zu speisen, und dann
erfahre ich noch, dass es eine Empfehlung aus dem Polyglott ist. Immerhin,
eine gute Empfehlung ...
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