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Donnerstag, 29. Dezember 2005: Eine verhinderte Bootstour und eine
aufschlussreiche Begegnung auf dem Hügel von Mandalay ...
Morgens
erneut leichter Nebel, der sich dann am Fluss noch verdichtet. So fahren
zunächst auch noch keine Boote nach Mingun. Um neun hat sich die Lage dann
soweit gebessert, dass die ersten Boote ablegen. Eine Gruppe besteigt ihr
Schiff, und ein Mann fällt dabei mit seiner kompletten Ausrüstung
einschließlich Kamera in den Fluss. Sofort sind zahlreiche Helfer zur
Stelle, die ihn aus dem Wasser ziehen. Für ihn und seine Frau ist damit
die Bootsfahrt zu Ende, noch bevor sie richtig begonnen hat. Für mich auch,
denn aus unerfindlichen Gründen ist mein Boot auf einmal nicht da. Das
Angebot, mich einer Gruppe anzuschließen, lehne ich dankend ab. Ich möchte
in meiner Zeitplanung nicht von anderen abhängig sein, denn ich habe mir
für heute noch einiges vorgenommen. Also muss schnell eine Entscheidung
getroffen werden, was nicht gerade eine Stärke der Burmesen zu sein
scheint. Mein Fahrer wirkt etwas unschlüssig. Also entscheide ich, mit dem
Auto nach Mingun zu fahren, was er fast dankbar zur Kenntnis nimmt. Keine
schlechte Entscheidung übrigens, denn ich höre später in Mingun, dass der
Fluss fast völlig eingenebelt war. Ich dagegen sehe allerlei am Wegrand,
auch wenn die Fahrt mit dem Auto 20 Minuten länger dauert als mit dem
Schiff.
Mingun ist wieder sehr touristisch: die Massen drängeln sich, und die
Kinder sind lästig. 'Hello, where are you from? What you name?' Stets das
gleiche Geplärre, bevor Postkarten und anderer Schnickschnack zum Kauf
angeboten werden. Das nervt nach einer Weile, und ich jage die Kinder
davon.
Die
große Pagode von Mingun beeindruckt, obwohl sie nicht einmal
fertig gestellt wurde und im 19. Jahrhundert bei einem Erdbeben weiter
verfiel. Ein bisschen ist es wie bei den Pyramiden von Gizeh. Naja,
zugegebenermaßen wirklich nur ein bisschen. Auch was man sonst sieht, ist
den Ausflug wert. Ich schlage mich wieder einmal ins 'Hinterland', wohin
sich sonst kein Mensch verläuft. Die Wohnverhältnisse sind ärmlich, die
meisten Häuser aus Bambusgeflecht mit Dächern aus Palmstroh. Eine Schule
für Mädchen erregt meine Aufmerksamkeit, weil sie von einem deutschen
Myanmar-Verein finanziert wird. Mädchen sollen hier auch das Nähen lernen.
Etwa 10-20 Nähmaschinen stehen bereit, aber nur drei Schülerinnen sitzen
dort. Hoffentlich ein Einzelfall ...
Es geht zurück nach Mandalay. Hier ist viel mehr Verkehr als in Rangoon,
wo Motorräder nicht erlaubt sind. Entsprechend häufiger kommt hier auch
die Hupe zum Einsatz, aber es ist weit entfernt von indischen
Verhältnissen. Am Postamt lasse ich halten und besorge mir schnell noch
ein paar Briefmarken. Draußen vor der Tür stehen lange Menschenschlangen
und benutzen den Sims der Fassade als 'Schreibtisch', um ihre
Korrespondenz zu erledigen.
Am
Westtor des Forts mache ich einen Fotostop. Die Regierung hat dort ein
riesiges Plakat anbringen lassen: 'Das Militär und das Volk sind eins. Wer
uns auseinander bringen will, ist unser Feind'. Wer's glaubt, wird selig.
Das Fort wird zum Teil vom Militär genutzt und jeder, der das Palastmuseum
besuchen will, muss sich einer umständlichen Registrierung unterziehen.
Alles wird schriftlich in großen Büchern festgehalten: Personalien,
Autonummer, Name des Fahrers usw. Sankt Bürokratius lässt grüßen - oder
sollte die 'geliebte Regierung' etwa ihren eigenen Leuten misstrauen? Die
müssen sich nämlich genauso registrieren lassen wie die Ausländer!
Im Fort die Gräber der letzten Könige, verwahrlost und verfallen. Der
Palast selbst ist nur eine Rekonstruktion aus Beton und Wellblech, braun
angestrichen, damit es wie Holz aussieht. Hier ist nichts Gold, was
glänzt. Das Original haben die Engländer in einem der Burma-Kriege
zerbombt. Ich hoffe, sie schämen sich heute dafür. Trotz allem bekommt man
aber einen guten Eindruck davon, wie das alles einmal ausgesehen haben
mag.
Die
verschiedenen Klöster und Pagoden am Fuß des Mandalay Hill sind zwar schön
anzuschauen, bieten aber nichts wirklich Neues. Um fünf geht es auf den
Hügel. Sunset-time. Auf der Aussichtsplattform drängeln sich Touristen und
Einheimische wie die Lemminge. Die Aussicht ist zwar schön, aber nicht
annähernd so spektakulär wie sie in der einschlägigen Reiseliteratur
beschrieben wird. Der Sonnenuntergang selbst auch nicht. Der war gestern
an der U-Bein Brücke doch viel stimmungsvoller. Dafür gibt es hier oben
allerlei Volk zu beobachten. Leider muss hier festgestellt werden, dass
die deutschen Touristen mit Abstand die lärmendsten sind. Ihr Schwäbeln,
Sächseln und was sonst noch übertönt alle anderen. Hier oben tummeln sich
auch zahllose Mönche, die zum Teil völlig unbefangen auf die Besucher
zugehen und das Gespräch suchen. So komme ich mit zwei Novizen (Alter:
geschätzte Mitte 20) in Kontakt, deren schlechtes Englisch in umgekehrtem
Verhältnis zu ihrem Bemühen steht, eine einigermaßen gescheite
Konversation zustande zu bringen. In ihren wohlproportionierten Gesichtern
bilden die Ruinen der Zähne einen eigenartigen Kontrast. Schwarzbraun vom
Betelkauen und so parodontös, dass einen deutschen Zahnarzt wohl das
Grauen packte, müsste er hier eine Behandlung versuchen. Aber die beiden
sind ausgesprochen freundlich und gesprächig, und so vergeht die Zeit bis
zum Sonnenuntergang im Fluge.
Kaum ist die Sonne verschwunden, tun es ihr die Massen gleich. Auch ich
mache mich auf den Weg ins Hotel, denn mein Boot geht morgen früh schon um
sechs, und das bedeutet, dass ich um viertel nach vier aufstehen muss -
ein grässlicher Gedanke.
Abends entscheide ich mich nochmals für das Restaurant, in dem ich schon
gestern war, und bereue es nicht. Da es noch früh ist (ca. 19.00 Uhr), bin
ich fast der einzige Gast, und die Kellner bemühen sich rührend, mir alles
recht zu machen. Um acht mache ich mich auf den Weg zurück zum Hotel. Die
Seitenstraßen sind nicht beleuchtet und düster. Von Zeit zu Zeit kommt ein
Motorrad ohne Licht die Straße entlang, und ich muss aufpassen, dass ich
nicht über den Haufen gefahren werde. In einigen Werkstätten wird noch im
Schein trüber Funzeln oder flackernder Kerzen gearbeitet, und vor dem
Marionettentheater versammeln sich die ersten Touristen und warten
geduldig darauf, dass die Abendvorstellung endlich beginnt ...
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