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Freitag, 30. Dezember 2005: Eine 'Flusskreuzfahrt' auf dem
Ayeyarwaddy ...
Um es vorweg zu sagen: ein Kreuzfahrtschiff ist die Fähre nach Bagan, auf
der man einen ganzen Tag lang den Ayeyarwaddy herunter treibt, nicht
gerade. Dennoch sollte man sich dieses Erlebnis auf keinen Fall entgehen
lassen. Aber der Reihe nach ...
 Um
viertel vor fünf bin ich in der Hotelhalle. Gott-sei-Dank habe ich gut
geschlafen und so war das frühe Aufstehen halbwegs erträglich. Der
Barkeeper serviert schlaftrunken einen bitteren Kaffee an der Hotelbar,
und ich nehme mein Frühstückspäckchen in Empfang. Kurz nach halb fünf
steht der Wagen vor der Tür und es geht zum Bootsanleger. Abseits der
Hauptstraßen ist es stockfinster. Entweder ist die Straßenbeleuchtung
abgeschaltet oder es gibt keine. Vereinzelt schält sich ein Fuhrwerk oder
eine Fahrradrikscha aus dem Nebel, der auf der Straße lastet. An einer
Straßenecke treiben ein paar Leute Frühsport. In einigen Werkstätten wird
bereits im Schein flackernder Kerzen gearbeitet, und kleine Feuer rechts
und links der Straße, an denen sich Leute wärmen, verbreiten ein
gespenstisches Licht.
Am Kai nimmt ein Träger meinen Koffer und bringt ihn über eine schmale
Laufplanke aufs Schiff. Im Unterdeck gibt es Sitze, die ähnlich wie in
einem Flugzeug angeordnet sind. Nicht sonderlich bequem, aber es könnte
schlimmer sein. Ziemlich pünktlich um sechs legt das Boot ab. Eine halbe
Stunde später bricht die Morgendämmerung an.
 Am
Schiffsbug stehen zwei Männer mit langen Stangen und loten die Flusstiefe
aus. Nicht immer mit Erfolg, denn um zehn vor sieben sitzen wir zum ersten
Mal fest. Es dauert jedoch nur wenige Minuten, bis das Boot wieder frei
ist und seine Fahrt fortsetzen kann. Dennoch geht die Fahrt nur schleppend
voran. Bei jeder größeren Nebelbank ankert das Boot in der Flussmitte
gegen den Strom und wartet, bis die Sicht besser ist. So sind wir drei
Stunden nach dem Ablegen gerade einmal kurz hinter der Brücke von
In-Wa bei Sagaing, eine Strecke, die mit dem Auto in gut 30 Minuten zu
schaffen ist. Um zehn sind Nebel und Wolken plötzlich wie weggeblasen, und
jetzt geht es mit der Strömung zügig flussabwärts.
Ich habe mir zeitig für 2000 Kyat einen Stuhl auf dem Sonnendeck gemietet,
eine kluge Investition, wie Stunden später die neidischen Blicke derer
beweisen, die zu spät gekommen sind und keinen mehr abbekommen haben. Die
müssen jetzt mit ihren Sitzen im stickigen Unterdeck vorlieb nehmen oder
stehen.
Das zeitlose Dahingleiten auf dem gewaltigen Fluss, der stellenweise vier
Mal so breit ist wie der Rhein bei Köln, wird nur zeitweilig durch den
Gestank aus der Küche beeinträchtigt, wo Trockenfisch zubereitet wird,
eine burmesische Spezialität, deren Geruch allerdings eine Zumutung für
europäische Nasen darstellt. Um elf sind die Temperaturen so angenehm,
dass man die Jacke ablegen kann. Ich treffe den Engländer wieder, der auf
dem Flug nach Mandalay neben mir saß, und wir fachsimpeln ein wenig über
Digitalfotografie. Er ist von den Bildern meiner Kamera begeistert und
meint, er werde sich wohl auch kurz über lang eine Digicam zulegen.
 Das
Boot fährt jetzt einen ziemlichen Zickzackkurs auf dem breiten Fluss.
Offenbar gibt es in der Trockenzeit nur eine enge Fahrrinne. Von Zeit zu
Zeit begegnen uns andere Boote: schlichte Fähren der Einheimischen, aber
auch luxuriöse Schiffe mit Kabinen, ganz aus Holz im Kolonialstil mit
gepflegten, weiß bezogenen Liegestühlen an Deck (sehr stylish!).
Unser 'Bordrestaurant' bietet Mittagsgerichte an, aber ich verzichte
dankend, nachdem ich per Zufall einen Blick in die Küche geworfen habe. Es
wäre sicher interessant zu sehen, wie es auf einem Boot der Einheimischen
zugeht, wenn dies schon die gepflegte Touristenklasse ist. Die Trennung
zwischen Einheimischen und Ausländern ist erstaunlich strikt, selbst an
den Klotüren unseres Bootes steht 'Nur für Ausländer'. Ist das nun Segen
oder Diskriminierung? Die Antwort wird sich möglicherweise erst nach einem
Gang auf die Toilette ergeben.
 Um
zwölf legt das Boot erstmals bei einem kleinen Dorf an. Frauen waten bis
zur Brust in den Fluss. Sie balancieren Körbe mit Bananen und Anderem auf
ihren Köpfen und bieten alles zum Kauf an. Das ist ein Geschrei und
Geschnatter, und man rangelt sich um die wenigen Kunden. Zugestiegen sind
nur ein oder zwei Einheimische, und 5 Minuten später sind wir schon wieder
mitten auf dem Fluss. Die Zeit dehnt sich ins Unendliche. Um 15 Uhr
sollten wir da sein, aber es wird 19 Uhr, bis das Schiff Bagan erreicht.
Es ist schon stockfinster und Myriaden langflügeliger Insekten bedecken
die hell erleuchteten Fenster des Bootes. Tausende haben den Weg ins
Innere gefunden und umschwärmen nun die Lampen in einem ewigen Reigen. Das
Anlegemanöver geht zentimeterweise und dauert eine Viertelstunde. Auf dem
Landesteg, der aus ein paar wackligen Brettern besteht, drängeln bereits
Dutzende Kulis, die mit dem Gepäck der Reisenden auf ihren Schultern
sicher über die schwankenden Bohlen an Land balancieren.
 Mein
Auto steht schon bereit, und 15 Minuten später bin ich im Hotel. Es ist
eine Enttäuschung: das Zimmer ist außerordentlich einfach, um nicht zu
sagen primitiv, obwohl es ein Superior-Room sein soll. Das ist schon
deshalb ärgerlich, weil ich hier vier Nächte verbringen werde. Da wäre
etwas Gemütlicheres schon angesagt gewesen. Das Hotelrestaurant ist leer,
keine Menschenseele. Ich entscheide mich für ein Essen außer Haus. Nach
dem frühen Aufstehen und der 13-stündigen Bootsfahrt bin ich einigermaßen
k.o. Den Fahrer habe ich morgen erst zu 9 Uhr bestellt ...
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