Samstag, 31. Dezember 2005 (Silvester):  Eine faszinierende Tempelstadt und die Schattenseiten des Tourismus ...
 
Als ich um 7 Uhr aufstehe, bin ich perfekt ausgeruht. Das Bett war das beste bisher. Das Frühstück findet draußen bei herrlichem Wetter mit Blick auf einige der Tempel von Bagan statt - und es ist gut und reichhaltig. Trotzdem beschwere ich mich wegen des schlechten Zimmers und siehe da, als ich am Mittag kurz ins Hotel zurückkehre, ist schon ein anderes, sehr ordentliches Zimmer für mich bereit. Das ist nun wirklich Superior und ich bin vollauf zufrieden. Auch hier gilt wieder die alte Regel Asiens: man muss sich wehren oder man wird mit dem bezauberndsten Lächeln übers Ohr gehauen.
    
Bagan ist in jeder Hinsicht der Höhepunkt einer Burmareise. Man kann sich kaum satt sehen: an jeder Ecke tun sich neue Ausblicke auf, einer schöner als der andere. Mein Fahrer ist sehr lieb, spricht aber praktisch kein Englisch. Er versteht aber die Namen der Orte, Pagoden und Tempel, die ich besichtigen will, und bringt mich stets zielsicher dort hin. Er hat ein gepflegtes Toyota-Taxi und fährt nur 20-30 km/h schnell, damit es nicht so zustaubt. Das kommt mir sehr gelegen, denn so kann ich alles in Ruhe genießen und ihn immer dann anhalten lassen, wenn es etwas Interessantes zu sehen oder zu fotografieren gibt. Leider ist Bagan auch hinsichtlich des Tourismus ein, wenn auch trauriger Höhepunkt. An jeder Pagode stehen die Händler, und nirgendwo sind die Kinder aufdringlicher. Ich kann  das 'Hello, where are you from?' inzwischen nicht mehr hören, ohne dass Aggressionen hochkommen. Die meisten Touristen sind aber auch zu dumm. Vor allem die Gruppenreisenden schenken den Kindern Bonbons und Geld. kein Wunder, dass sie inzwischen betteln wie die Landstreicher. Es ist doch überall auf der Welt das Gleiche.
   
Am späten Nachmittag nehme ich mir Zeit für ein paar weniger bedeutende Bauwerke - und schon ist keine Menschenseele mehr zu sehen. Eine echte Wohltat. Zum Sonnenuntergang strömen ganze Busladungen auf die drei stufenförmig übereinander liegenden Terrassen des Shwegugyi Tempels. Von weitem schon kann man das Gedränge sehen. Ich habe dagegen den etwas abseits gelegenen Minyeingon Tempel 45 Minuten lang ganz für mich allein und genieße die Stille und den phantastischen Blick auf die circa 2000 Tempel und Stupas von Bagan. Erst kurz vor Sonnenuntergang entdeckt mich dort ein Jugendlicher, der auch sofort zu mir heraufsteigt, um mir seine 'selbst gemalten' Bilder zu verkaufen. Er sagt, er sei ein Künstler, aber die Bilder, die er anbietet, sind nichts Besonderes und man findet sie an jeder anderen Pagode auch. Unwahrscheinlich also, dass er auch nur ein einziges selbst gemalt hat. Als er merkt, dass er an mir nur seine Zeit verschwendet, zieht er wieder ab.
  
Dann taucht plötzlich doch noch ein deutsches Ehepaar auf, das ich schon aus Mandalay kenne. Wie klein die Welt doch manchmal ist! Wir wechseln ein paar Worte, dann verschwindet die Sonne hinter den Bergen jenseits des Flusses und ich gehe. Ein herrlicher Tag geht zu Ende. Die Frau ruft mir noch ein 'Frohes neues Jahr!' hinterher. Ich hatte es völlig vergessen: heute ist ja Silvester ...
    
Zurück im Hotel, entscheide ich mich erneut gegen das hauseigene Restaurant, das düster und verlassen daliegt, und laufe ein Stück die Straße entlang, bis ich an ein gepflegt aussehendes Lokal komme. Es ist für burmesische Verhältnisse noch relativ früh und so ist außer mir erst ein Gast dort. Es ist ein älterer Herr, Europäer, wie ich vermute, der offensichtlich entweder hier lebt oder überwintert, wie ich aus der Konversation mit dem Kellner entnehmen kann. Er macht einen ärmlichen Eindruck und scheint leicht angetrunken, als er wenig später auf sein altes Rad steigt und im Dunkel der Nacht verschwindet ...
   

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