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Donnerstag, 5. Januar 2006: Eine Stadt voller Tempel und Pagoden und
ein Besuch in einem königlichen Palast ...
Nach einer angenehmen Nacht werde ich kurz vor 6 Uhr durch das
Motorengedröhn der ersten LKWs geweckt, die sich den Berg zum 'Goldenen
Felsen' hinaufquälen. Nach einem guten Frühstück geht es auf dem Lastwagen
zurück ins Basiscamp Kinpun. Die Talfahrt ist angenehmer als die
Bergfahrt, weil das Tempo insgesamt verhaltener und die Luft am frühen
Morgen noch frisch und kühl ist. Dennoch schafft es der Fahrer, in den
engen Kurven zwei weitere vor uns fahrende Laster zu überholen, bis wir
unten angekommen sind.
 Mein
Chauffeur steht schon samt Sohn bereit und so machen wir uns gleich auf
den Weg nach Bago. Unterwegs passieren wir eine Straßenbaustelle, auf der
Frauen, Männer und Jugendliche arbeiten. Am Straßenrand stehen ein paar
große Fässer, in denen Teer gekocht wird. Alles in Handarbeit - der
Gestank dabei raubt einem fast den Atem. Ich erfahre, dass ein Mann für
diese Arbeit täglich 2000 Kyat (nicht einmal 2 Dollar!), eine Frau 1500
Kyat und ein Jugendlicher 1000 Kyat erhält. Moderne Sklavenarbeit unter
einem Regime, dem ein Menschenleben nichts wert ist. Unterwegs erzählt
mein Fahrer, der offenbar Vertrauen zu mir gefasst hat, von der Angst der
Menschen, von willkürlichen Verhaftungen, Bespitzelung und einer
Regierung, die zwar keiner will, die aber durch ein geschickt gewebtes
Netz von Abhängigkeiten und Vergünstigungen fest im Sattel sitzt. Dabei
schaut er immer wieder vorsichtig in den Rückspiegel, offenbar, um sich zu
vergewissern, dass sein Sohn von alldem kein Wort versteht. Er lässt
durchblicken, dass ihn derartige Äußerungen, sollten sie denn publik
werden, sofort ins Gefängnis bringen würden, wo dann wahrscheinlich nach 3
Wochen die Todesstrafe wegen Volksverhetzung vollzogen würde. Die
Angehörigen würden in solchen Fällen in der Regel über den bedauerlichen
'Selbstmord' des Gefangenen informiert, bittere Wahrheit in einem Land,
dessen Bewohner doch so höflich und freundlich sind und stets so fröhlich
wirken.
 Bago
hat eine Reihe interessanter Pagoden und Tempel sowie die Rekonstruktion
eines königlichen Palastes zu bieten. In einer Pagode werde ich Zeuge der
Anrufung eines Nats, eines Geistes mithilfe einer Nat-Tänzerin. Die
Zeremonie, die von ohrenbetäubender Musik begleitet wird, bleibt im Detail
für mich unverständlich, aber der Ernst der Anwesenden zeigt, dass sie
fest an die Existenz dieser Geister glauben, die allesamt Manifestationen
von Menschen sind, die auf gewaltsame Weise zu Tode kamen. Sie zu
beschwichtigen und bei Laune zu halten, ist offenbar der tiefere Sinn der
Zeremonie. Die Gläubigen stecken der Tänzerin Geldscheine an die Maske,
die sie gegen Ende ihres Tanzes wieder unter die Leute wirft, worauf sich
alle auf die Scheine stürzen, um möglichst viele zu ergattern - auch eine
Form der finanziellen Umverteilung.
Inzwischen ist die Hitze so groß, dass ich mich nur noch im Zeitlupentempo
bewege und mich am liebsten irgendwo in den Schatten setzen und die
Umgebung und die Menschen einfach auf mich einwirken lassen möchte. Aber
wir müssen weiter. Trotz geöffneter Fenster ist es auch im Auto stickig
und heiß, aber ich lasse die Klimaanlage nicht einschalten, um mich nicht
noch auf den letzten Drücker zu erkälten. An einer Bahnlinie reparieren
Arbeiter die Gleise. Dazu sägen sie erst mit einer Handsäge (!) die
defekten Stücke aus den Schienen und setzen dann neue ein, die
anschließend hoffentlich vernünftig verschweißt werden. Gegen den
Zugverkehr sind sie nur durch zwei rote Tücher gesichert, die jeweils circa
100 Meter vor und hinter der Baustelle an zwei Stöcken befestigt quer über
das Gleis gespannt sind und dem Lokführer signalisieren sollen, dass er
anhalten muss - eine Methode, die ich auch oft in Indien beobachten
konnte.
 Um
kurz nach vier sind wir zurück in Yangon. Der Fahrer setzt zunächst seinen
Sohn vor der Haustür ab und bringt mich dann ins Hotel. Die Dusche tut
wieder einmal gut. Da es der letzte Abend ist, gönne ich mir ein
kostspieliges mehrgängiges Menü im Hotelrestaurant. Die Küche hat ein
riesiges Büffet aufgebaut, das aber nur von sechs Personen in Anspruch
genommen wird. Die anderen fünf anwesenden Gäste essen wie ich à-la-carte.
Da frage ich mich, was wohl mit dem ganzen Essen passiert, das übrig
bleiben wird. Das Personal (4-Sterne Hotel!) wirkt gelangweilt und träge,
und ich erinnere mich ein wenig wehmütig an das phantastische Personal im
Golden Rock Hotel - Sterne sind eben nicht alles ...
Abends mache ich noch einen Spaziergang zur Shwedagon Pagode, weil ich
hoffe, dort in den Arkaden eine kleine Statue zu finden, die ich als
Andenken mit nach Hause nehmen kann. Es gibt aber nichts Vernünftiges.
Lediglich die Auswahl an Buddhastatuen ist beeindruckend. Also gehe ich
unverrichteter Dinge zum Hotel zurück. Am 'People's Park' sind die Fahnen
schon wieder abgebaut, und nichts deutet mehr auf den Nationalfeiertag
hin, der doch erst vorgestern war ...
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